[Büchereiexemplar]
Zum Inhalt:
Braunschweig in naher Zukunft. Britta – offiziell erfolgreiche Heilpraktikerin – ist von der Politik und der Gesellschaft desillusioniert. Dennoch führt sie eigentlich ein gutes Leben. Verheiratet, mit Mann und Kind in einem wunderschönen Eigenheim lebend. Keine finanziellen Sorgen. Die Praxis mit Geschäftspartner Babak läuft gut. Auch wenn das, was tatsächlich in der Praxis geschieht nur bedingt damit zu tun hat, das Leben der Klienten zu verbessern. Denn hinter der Fassade lauert das einträgliche Geschäft mit dem Tod…
Meine Meinung:
Mir hat es richtig gut gefallen, mal ein Buch zu lesen, welches in meiner Heimatstadt spielt. Juli Zeh hat die örtlichen Begebenheiten gut recherchiert und so wusste man genau, wo in der Stadt sich Protagonistin Britta aufhält, wenn Straßennamen im Buch auftauchten.
Deutschland hat sich sehr verändert. Die Autorin knüpft mit ihrem fiktiven politischen Wandel quasi an die Zeit 2015 – 2018 an. Die Flüchtlingskrise hat den Unmut der Wähler geschürt. Merkel musste zurücktreten. Eine neue Partei namens Besorgte-Bürger-Bewegung (BBB) ist vor einiger Zeit an die Macht gekommen. Alles wird zunehmend nationaler und auch schnell radikaler. Gesetze, die das Grundgesetz mehr und mehr aushebeln, werden zur gängigen Praxis. Ausländische Importe werden eingeschränkt. Kinder sollen bereits in der Grundschulzeit Zwischenprüfungen ablegen, um Schüler, die es vermutlich sowieso zu nichts im Leben bringen, von vorneherein auszusieben.
Der Großteil der Wählerschaft hat resigniert. Verweigert die Wahlen. Nimmt hin, was passiert. Desillusioniert. Zu bequem, um etwas ändern zu wollen. Hauptsache, einem selbst geht es gut.
Britta denkt ähnlich. Obwohl ihr das erst im Lauf der Geschichte richtig bewusst wird. Zuerst ist sie sich sicher, dass sie nur deshalb nicht wählt, weil sie sich bewusst dafür entscheidet und sich so der politischen Maschinerie entziehen will. Dass sie damit dem Nationalsozialismus Tür und Tor geöffnet hat, wird ihr erst klar, als sie selbst dabei ist, alles was sie aufgebaut hat, zu verlieren.
Sie selbst glaubt zu diesem Zeitpunkt daran, einfach nur noch leer zu sein. Ein leeres Herz zu haben. Nichts zu haben, für das sich die Anstrengung und der Kampf lohnen würde.
Britta und Babak – nach außen hin erfolgreiches Heilpraktikerduo – agieren im Hintergrund für Terrorvereinigungen. Da die BBB-Regierung dem Terror den Garaus gemacht hat, haben ausländische Terrororganisationen kaum noch Möglichkeiten, Selbstmordattentäter zu rekrutieren. Diese Marktlücke haben sich die beiden zu Nutzen gemacht. Und sind damit sehr erfolgreich. Sie vermitteln Menschen, die unbedingt sterben wollen, an Terrororganisation.
Doch nun taucht eine Gruppierung namens „Empty Hearts“ auf, die das gleiche Ziel zu haben scheinen und Britta und Babak nach dem Leben trachten. Britta versteht, dass alles was sie sich aufgebaut hat, vernichtet werden kann. Einschließlich sie selbst. Und dann endlich – als sie schon gar nicht mehr daran glaubte – positioniert sie sich klar. Kämpft für das, was ihr wichtig ist.
Das Buch regt zum Nachdenken an. Gesellschaftlich, politisch und persönlich.
Wo steht man selbst? An welcher Stelle sollte oder muss man sich entscheiden und Flagge zeigen? Aufstehen und für seine Überzeugungen einstehen und kämpfen oder lieber abwarten, alles hinnehmen? Es wird schon gut werden. Und im besten Fall betrifft es mich selbst ja nicht. Hauptsache, mir geht es gut.
Das sind die Gedanken, die sich unweigerlich nach der Lektüre einstellen.
Die politische und gesellschaftliche Lage ist in „Leere Herzen“ dystopisch dargestellt. Für mich sehr düster und beklemmend und beunruhigend aktuell. Freiheit ist nur noch bedingt möglich. Rassismus gehört mehr oder weniger zum guten Ton, ist gesellschaftlich auf eine verquere Art und Weise anerkannt und gewollt.
Die Resignation der Gesellschaft, das Hinnehmen des Verlusts von Freiheit und Grundrechten passiert schleichend, aber es passiert. Und irgendwann ist man an dem Punkt, wo einem zwar klar wird, das etwas deutlich schiefgelaufen ist, aber man selbst ist alleine nicht mehr in der Lage, die Richtung zu ändern.
Juli Zeh gelingt es, mit ihrem Schreibstil die düstere Stimmung, die Hoffnungslosigkeit und die fehlenden Perspektiven pragmatisch und in klarer Sprache dazustellen. Momente der Freude sucht man in der Geschichte vergebens.
In Anbetracht der aktuellen politischen Lage im Jahr 2022 ist „Leere Herzen“ auch 5 Jahre nach seinem Erscheinen noch bedrückend aktuell.
Mehr denn je müssen wir uns auf unsere Werte besinnen. Und für sie einstehen. Gerade in diesen Zeiten, in denen Menschen wieder einmal alles verlieren, für einen Krieg, den sie nicht wollten.
Mein FAZIT:
Ein beklemmender und dystopischer Politthriller, der erschreckend real wirkt aufgrund der Parallelen zur aktuellen politischen und gesellschaftlichen Lage.
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