[Rezensionsexemplar]

Zum Inhalt:

Die Geburt ihrer kleinen Tochter ist gerade ein paar Stunden her. Als Marc ins Krankenhaus kommt, um seine Frau Romilly und seine neugeborene Tochter zu besuchen, ist das Entsetzen groß. Romilly ist spurlos verschwunden und hat das neugeborene Kind im Krankenhaus einfach alleine zurückgelassen.

Was ist geschehen? Postnatale Depression? Wurde sie entführt? Ist sie weggelaufen?

Während Freunde und Familie Marc bei der Versorgung des Babys unterstützen, wird schnell klar: Die Wahrheit ist eine ganz andere und nicht jeder erzählt alles, was er über Romilly und ihr Verschwinden weiß.

Meine Meinung:

Die Geschichte, die in einem Zeitraum von wenigen Tagen, sowohl aus der Sicht von Romilly, von Romillys Schwester und Freunden erzählt wird, beginnt erst langsam. Romilly verschwindet und man fragt sich, was muss geschehen sein, damit eine junge Frau ihr Neugeborenes direkt nach der Geburt verlässt und spurlos verschwindet. Etwas harmloses wird es jedenfalls nicht sein. So viel ist schnell klar.


Marc tut einem leid. Völlig überfordert mit einem Neugeborenen nimmt er zuerst die Hilfe seiner Schwägerin an, doch ziemlich schnell wird klar, dass sie einander misstrauen. Jeder denkt, der andere weiß mehr als er zugibt. Und tatsächlich ist das auch der Fall, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise.

Die Geschichte braucht eine Weile, um wirklich Fahrt aufzunehmen und eine solide Spannung zu erzeugen. Die Geduld sollte man beim Lesen auf jeden Fall aufbringen. Es lohnt sich.

Achtung Spoiler:

Ungefähr in der Mitte der Geschichte wird klar, dass es sich bei Romilly eben nicht um eine postnatale Psychose oder ähnliches handelt. Sondern, dass ihre Flucht aufgrund Verzweiflung und großer Angst erfolgt ist. Angst vor ihrem Ehemann. Davor, ihre Tochter zu verlieren. Der verzweifelte Versuch, Hilfe zu bekommen und sich aus einer häuslichen Gewaltbeziehung zu befreien.

Doch es braucht eine Weile, bis ihre Freunde und ihre Familie ihr Glauben schenken können. Denn natürlich – wie sollte es auch anders sein – ist Marc doch immer liebevoll zu ihr. Wenn andere Menschen dabei sind. Der könnte doch niemandem etwas zu leide tun. Oder doch? Die Verwirrung und Unsicherheit von Romillys Umfeld ist klar zu spüren. Wem glauben? Wer sagt die Wahrheit?

Dadurch dass immer wieder die postnatale Psychose erwähnt wird, wird Romillys Glaubwürdigkeit lange Zeit untergraben. Und auch ich als Leser habe mich immer wieder gefragt, wer denn jetzt die Wahrheit sagt. Und das ist dann auch wieder das Fatale in häuslichen Gewaltbeziehungen: dass dem Opfer oftmals nicht geglaubt wird, weil der gewalttätige Partner so gut darin ist, die Tatsachen zu verdrehen und als eloquent und liebenswürdig vor anderen zu erscheinen.

Als endlich allen klar wird, wie gefährlich Marc ist und dass Romilly in großer Gefahr schwebt, weil Marc mittlerweile ihren Aufenthaltsort kennt, nimmt die Geschichte an ziemlichem Tempo auf und das letzte Viertel fliegt quasi nur so vor sich hin.

Ich mag jetzt nicht bewerten, wie realistisch oder unrealistisch es ist, mit einem wenige Tagen alten Neugeborenen in ein anderes Land zu fliegen. Das tut für mich auch tatsächlich auch überhaupt nichts zur Sache. Für mich liegt der Hauptfokus der Geschichte tatsächlich auf der absolut toxischen Beziehung zwischen Marc und Romilly.

Das was Romilly erlebt hat in ihrer Beziehung mit Marc, lässt beim Lesen Gänsehaut entstehen und macht diese Geschichte, die sich eigentlich Thriller nennt  – eben zu weit mehr als einem Thriller (wenn man sich mit den Statistiken und der Dunkelziffer von häuslicher Gewalt mal beschäftigt). Nämlich zu einer Geschichte, die in weiten Teilen für Frauen auf der ganzen Welt jeden Tag bittere Realität ist.

Mein Fazit:

Spannend. Traurig. Erschreckend.

Mein einziger Kritikpunkt: Ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin in ihrem Nachwort Bezug auf die häusliche Gewalt nimmt, die in ihrer Geschichte die Hauptrolle spielt.

Ich bedanke mich herzlich beim Heyne Verlag und dem Bloggerportal für das Rezensionsexemplar.