[Eigenes Exemplar]
Zum Inhalt:
Die 13jährige Lou ist hochbegabt und hat zwei Klassen übersprungen. Seit dem plötzlichen Kindstod ihrer kleinen Schwester ist Zuhause alles anders als vorher. Ihre Mutter kämpft mit schweren Depressionen. Der Vater versucht die Familie irgendwie zusammenzuhalten. Und Lou versucht, alles zu verstehen und dabei Stück für Stück erwachsen zu werden.
Als sie ein Schulreferat halten muss, weiß sie erst nicht, worüber. Doch dann begegnet ihr No. 18 Jahre alt und obdachlos. Lou ist fasziniert von No und die beiden freunden sich an. Und dann beschließt Lou, dass sie No von der Straße holen will. Es muss doch möglich sein, die Welt zu verändern…
Meine Meinung:
Eins der besonderen Bücher, die man in die Hand nimmt und nicht mehr weglegen kann. Lou ist bezaubernd. Unheimlich klug, mit den zwei Jahre älteren Klassenkameraden und deren Freizeitvergnügen weitestgehend überfordert. Immer zu am Denken und Überlegen und Forschen und Lernen. Sie versucht, die Welt und die Menschen zu verstehen, doch meist gelingt es ihr nicht.
„Inzwischen weiß ich ein für alle Mal, dass man Bilder nicht verscheuchen kann, und schon gar nicht die unsichtbaren Risse, die sich tief im Bauch bilden, man kann die Nachklänge und Erinnerungen nicht verscheuchen, die wach werden, wenn es Nacht wird oder der Morgen anbricht, man wird den Nachhall der Schreie nicht los, und schon gar nicht den des Schweigens“ – Seite 50
Lou hat ein großes Herz. Was zuerst als Interview mit No für das Referat begann, wird irgendwann zu einer tiefen Freundschaft. Daraus entwickelt sich Lous Wunsch, No zu helfen. Sie überredet ihre Eltern (und ganz ehrlich, das detaillierte Konzept, was sie ausgearbeitet hat, um sie zu überzeugen, werde ich mir merken, wenn ich mal jemanden zu etwas überreden möchte).
„ Es ist mir egal, was man sagt.“ „Ich weiß, aber…“ „Genau, das ist das Problem, die ABERS. Wegen der ABERS tut man nie was“ – Seite 121
Ihre Eltern unterstützen Lou und No zieht bei ihnen ein. Zuerst scheint alles gut zu gelingen. Selbst Lous Mutter blüht wieder ein wenig auf.
„Also können die Dinge anders sein, also kann das unendlich Kleine groß werden“ – Seite 109
Doch dann wird No wieder rückfällig und Lou muss erkennen, dass man manchmal auch nicht helfen kann. Egal wie sehr man es sich von Herzen wünscht. Egal, was man alles dafür bereit ist zu tun.
„Wir sind imstande, Überschallflugzeuge und Raketen ins All zu schicken, einen Verbrecher anhand eines Haars oder eines winzigen Hautpartikels zu identifizieren, eine Tomate zu züchten, die im Kühlschrank drei Monate völlig faltenfrei bleibt, und Milliarden von Informationen auf einem Microchip zu speichern. Wir sind imstande, die Leute auf der Straße sterben zu lassen.“ – Seite 81
Achtung Spoiler:
Lou dabei zu begleiten, wie sie mit Löwenstärke um No kämpft, hat mich beim Lesen sehr berührt. Sie wächst über sich hinaus. Jeden Tag ein Stück mehr. Doch eines Tages muss sie erkennen, dass es einfach nicht gereicht hat.
„In Wahrheit sind die Dinge, wie sie sind. Die Wirklichkeit gewinnt immer die Oberhand und die Illusion rückt in die Ferne, ohne dass wir es merken. Die Wirklichkeit hat immer das letzte Wort. Monsieur Marin hat recht, man darf nicht träumen. Man darf nicht hoffen, die Welt verändern zu können, denn die Welt ist viel stärker als wir.“ – Seite 192
Ich hätte mir ein anderes Ende gewünscht. Ich hätte mir gewünscht, dass No es schafft. Das es Lou gelingt, die Welt zu verändern. Gleichwohl hat Lou das geschafft. Wenn auch nur für eine begrenzte Zeit. Aber für diese Zeit war die Welt ein besserer Ort.
Und vielleicht ist ja auch die Veränderung bei Lous Mutter von Dauer und die Depression tritt in den Hintergrund. Dann ist aus allem etwas Gutes dauerhaft geblieben. Ich frage mich, was aus No geworden ist. Ob Lou sie jemals wiedersehen wird? Ob No es schaffen wird, eines Tages ein besseres Leben zu führen?
Ich denke, die Geschichte wird mich noch eine Weile begleiten.
Von mir gibt es eine Leseempfehlung für diese berührende Geschichte.
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