[Rezensionsexemplar]

Zum Inhalt:

1944: Der Krieg verändert das beschauliche und idyllische Leben in der Ukraine. Fast ausgehungert von Russland muss die Familie auf der Flucht vor der roten Armee ihre Heimat verlassen. Der Vater wird noch an Ort und Stelle von den Deutschen in die Armee eingezogen. Die Mutter begibt sich mit Lydia und ihren anderen Kindern auf die Flucht nach Deutschland.

Doch dort kommen sie nicht an. Der Zug bringt sie nicht nach Deutschland, sondern nach Sibirien, wo sie zur Zwangsarbeit verurteilt werden. Viele, viele Jahre lang, Jahre voller Kummer, Entbehrungen Qualen, Grausamkeiten und Tod liegen vor Ihnen. Und doch geben sie nie auf.

Meine Meinung:

„Zusammenbleiben! Unbedingt Zusammenbleiben“ – Seite 39

Dieser Satz von Lydias Vater, bevor er sie verlassen musste, ist ein Schlüsselsatz, der uns Leser das ganze Buch begleiten wird.

Dieser Satz weckt Löwenkräfte in Lydias Mutter und schließlich auch in Lydia selbst. Ein Zusammenbleiben der Familie – egal wie schlimm die Situation ist, ist das Wichtigste, was zählt.

Das, was Lydia und ihrer Familie lange Jahre in Sibirien und Kasachstan widerfährt, ist schier unglaublich. Unmenschliche Behausungen, ein unmenschliches Arbeitspensum bei minus 50 Grad. 12 Stunden am Tag. Ohne ausreichende Kleidung und ohne ausreichende Nahrung. Kein richtiges Dach über dem Kopf. Keine medizinische Versorgung. Sie sind billige Arbeitskräfte. Wie Sklaven. Ob sie an den schlimmen Bedingungen sterben, ist eigentlich egal. Es sind ausreichend Zwangsarbeiter da.

Und trotz allem, verliert diese Familie nicht die Hoffnung, den Mut und den Überlebenswillen. Sie versuchen an jedem Tag, ihr Leben und ihre Situation zu verbessern, auch wenn das Schicksal ihnen immer wieder aufs Neue zeigt, wie grausam es sein kann.

Lydia verliert ihren erstgeborenen Sohn und später ein weiteres Kind und auch ihre große Schwester. Der Vater wird vermisst, vermutlich ist er tot. Manchmal wird ihnen ein wenig geholfen. Und jedes Mal, wenn sie ihre persönliche Situation ein wenig verbessert haben, werden sie ein weiteres Mal umgesiedelt.

Ein neuer Ort. Neue Umstände. Und niemals gibt die Familie auf. Lydia ist mittlerweile erwachsen. Verheiratet, Mutter von 6 überlebenden Kindern.  Ihr Mann Thomas ist keine große Hilfe. Seinen geringen Lohn vertrinkt er. Um alles kümmert sich Lydia allein. Doch seine ehelichen Pflichten fordert Thomas täglich ein.

Sie gehen nach Lettland. Bessere Lebensumstände. Aber dennoch kein freies Leben. Eine zu kleine Wohnung. Einen Mann, der seine Frau sich weiterhin um alles allein kümmern lässt und zu viel trinkt. Sie nicht respektiert.

Als endlich nach fast 30 Jahren die Ausreise in die BRD genehmigt wird, ist Lydia wieder auf sich allein gestellt und hat nur 14 Tage Zeit, die unmöglichen Bedingungen für die Ausreise zu erfüllen. Doch sie kriegt es hin. Ich weiß nicht, woher diese Frau ihre Stärke, ihren Kampfgeist, ihren Mut, nimmt. Sie hat meine absolute Bewunderung.

Der Schreibstil von Hera Lind, ist gewohnt angenehm. Sie lässt mit ihren Worten, die auf den Tagebuchaufzeichnungen von Lydia und den Erzählungen von Kindern und Enkelkindern basieren, das grausame Leben in Sibirien, die unsäglichen Grausamkeiten, aber auch die Hoffnung und den Zusammenhalt und Mut und Kampfgeist dieser unglaublichen Familie lebendig werden und hat mich auf vielen Seiten zu Tränen gerührt.

Besonders schön finde ich, dass im letzten Teil des Buches die Kinder von Lydia von ihren eigenen Erfahrungen und Erinnerungen erzählen. Das hat der wahren Geschichte ein wenig Leichtigkeit zurückgegeben, soweit das möglich war. Und nochmal den Blickwinkel ein wenig verschoben.

Ich bin beeindruckt, welcher Zusammenhalt, welche Achtung, Respekt, Dankbarkeit und Liebe diese Familie füreinander empfindet. Das hat mich ebenfalls sehr berührt.

Und ich finde es schön, dass Hera Lind den Tagebuchaufzeichnungen von Lydia einen Raum für Leser gegeben hat, so dass diese wichtige Geschichte ein Publikum findet und die Zeit der Kriegsgefangenschaft in Sibirien nicht in Vergessenheit gerät.

Ein großartiger, berührender Tatsachenroman, der mich zu Tränen gerührt hat. Von mir bekommt das Buch 5 Sterne und für Euch eine Leseempfehlung.

Ich bedanke mich herzlich bei Lovelybooks für das Rezensionsexemplar.