[Eigenes Exemplar]

Zum Inhalt:

Buchhändler Carl Kollhoff lebt für Bücher. Doch seit dem Inhaberwechsel in der Buchhandlung, wird sein Arbeitsbereich von der Chefin immer weiter eingeschränkt. Nur noch wenige Kunden beliefert er persönlich nach Geschäftsschluss. Diese Kunden sind sein Kontakt zur Außenwelt. Und gleichzeitig haben sie auch alle mit verschiedenen Schwierigkeiten zu kämpfen und Carl Kollhoff hilft ihnen mit den Büchern, die er für sie auswählt, einen Moment diesen Schwierigkeiten zu entfliehen.
Eines Tages begegnet ihm die neunjährige Schascha. Ein aufgewecktes Mädchen, das beschlossen hat, ihn zu begleiten. Das ist ihm überhaupt nicht recht, aber gegen Schascha kann man sich nicht wehren.

Und diese Begegnung verändert alles. Nicht nur für Carl Kollhoff, auch für seine Kunden….

Meine Meinung:

Ein wirklich bezaubernder Roman (der auch verfilmt worden ist) mit einem wirklich sympathischen Carl Kohlhoff, dessen Einsamkeit man in jedem Satz förmlich spüren kann.

ER ist ein Relikt aus einer vergangenen Zeit mit einem wachen Verstand und einem großen Herzen. So groß, dass die Welt für ihn manchmal nur schwer auszuhalten ist. Das fühle ich sehr. Es geht mir ähnlich.

„Denn Carl sah keine Nachrichten, hörte kein Radio, las keine Zeitung. Er war der Welt, wie er sich manchmal eingestand, ein wenig abhandengekommen. Es war eine bewusste Entscheidung gewesen, als ihn all die Berichte über unfähige Staatenlenker, das Schmelzen der Polkappen und das Leid der Vertriebenen trauriger gemacht hatten als das tragischste Familiendrama in Buchform. Es war Selbstschutz gewesen, auch wenn seine Welt seitdem viel kleiner geworden war. Sie maß nur noch gut zwei mal zwei Kilometer, und er schritt an jedem Tag ihre Grenzen ab.“ – Seite 12

Schascha ist quirlig. Und hat ein gutes Herz. Und will helfen. Sie macht Pläne und entwaffnet jeden mit ihrer offenen Art und Herzlichkeit. Ihrem Mut und ihrer Freude.

Sie schließt die Kunden von Carl in ihr Herz und beschließt, ihnen zu helfen.  Da ist „Effi“, die in einer gewalttätigen Partnerschaft lebt. Frau Langstrumpf, die sich seit dem tragischen Unfalltod ihres Mannes nicht mehr traut, das Haus zu verlassen. Mr. Darcy, der unendlich einsam ist. Und viele mehr.

„Weißt Du, die Menschen vergessen immer mehr zu lesen. Dabei sind Menschen zwischen den Deckeln, ihre Geschichten.  In jedem Buch ist ein Herz, das zu pochen beginnt, wenn man es liest, weil das eigene Herz sich mit ihm verbindet“ – Seite 46

Der Schreibstil ist einfach bezaubernd. Die Charaktere sind es auch. Der Autor versteht es, mit seinen Worten die Menschen in seinen Büchern lebendig werden zu lassen.

Als Carl ein Unglück ereilt und sich entschließt, einfach zu verschwinden – es wird

ja ohnehin niemandem auffallen, denkt er – hat er die Rechnung ohne Schascha und seine Kunden gemacht.

Dieser Moment, als seine Freunde ihm zeigen, dass er eben nicht alleine ist, dass sie ebenso für ihn da sind, wie er es all die Jahre für sie gewesen ist, ist wunderschön und sehr berührend. Füreinander Dasein, aufeinander aufpassen und sich umeinander kümmern sind so unendlich wichtig. Wir sollten dem alle mehr Raum geben und so die Welt zu einem besseren Ort machen. Jeden Tag ein wenig mehr.

Von mir bekommt „Der Buchspazierer“ eine Leseempfehlung. Auch der Film ist sehenswert, wenn er sich auch nicht immer ans Buch hält.