[Eigenes Exemplar]

Zum Inhalt:

Als Hans Seyfarth 1980 Mannheim verlässt, um nach Berlin zu ziehen, ist er seinem großen Traum, in der riesigen Großstadt ein Leben zu führen, in dem er sich offen als schwul bekennen kann und sich nicht mehr verstecken muss, ein ganzes Stück nähergekommen. Nicht, wie in seiner Jugendzeit in spießigen Bad Dürkheim. Und so nimmt er den Leser mit in seinem autobiografischen Roman in seine Welt, die bunt, schillernd, voller sexueller Eskapaden, aber auch ernst ist und letztendlich von Krankheit, Trauer und Abschied geprägt ist.

Meine Meinung:

Ich habe lange gebraucht, um diese Geschichte zu lesen. Das Buch lag seit dem Sommer 2017 in meinem Regal. Es entspricht normalerweise überhaupt nicht meinem üblichen Lesegeschmack. Aber ich habe es damals von einem Menschen geschenkt bekommen, der mir einst viel bedeutet hat. Und die Begegnung mit diesem Menschen hat mir eine Welt eröffnet , die ich mir damals nur im Ansatz habe vorstellen können. Als mir das Buch dann neulich beim Stöbern im Regal in die Hände gefallen ist, wollte ich es dann auch endlich einmal lesen.

Die Geschichte von Napoleon hat mich relativ schnell in ihren Bann gezogen. Die Kindheit, die er beschreibt, hat sich für mich beklemmend und sehr eingeengt anfühlen lassen. Ich kann seinen Drang, sich davon zu befreien sehr gut nachvollziehen. Ich glaube, ich hätte auch die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen und wäre nach Berlin gezogen. Wer weiß, vielleicht tue ich das eines Tages sogar, wenn die Kinder flügge sind.

Der Leser begleitet Napoleon beim Erwachsen werden, bei seinen ersten heimlichen und später offenen homosexuellen Erfahrungen (und da nimmt Napoleon beim Beschreiben der Details wahrlich kein Blatt vor den Mund). Er geht Beziehungen sein, die mehr oder weniger erfolgreich sind. Übersteht diverse Trennungen. Schließt Freundschaften. Ergreift verschiedene Berufe. Beschließt, sich aktiv in der Szene zu engagieren, wird ein Aktivist für die AIDS-Hilfe. Verliert Freunde an diese Krankheit. Erkrankt selbst an Aids und stirbt schließlich im Jahr 2000.

Sein Leben bringt er mit einer spitzen Feder zu Papier. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, beschönt einfach nichts. Offen. Direkt. Ehrlich. Selbstbewusst. Manchmal habe ich beim Lesen die Liebe vermisst, die sicherlich da war, aber von der im Buch in den Beschreibungen seiner Beziehungen nur wenig zu spüren ist. Oder vielleicht auf eine Art und Weise, die mir persönlich fremd ist. Aber letztendlich kann ich das auch nicht beurteilen. Denn ich bin nur ein Leser, der viele Jahre später seine Autobiografie in den Händen hält und man urteilt auch einfach nicht über das Leben eines anderen Menschen.

Er erzählt sein Leben klar, direkt, ungeschönt, an manchen Stellen ein wenig überspitzt und nimmt mit diesem Buch auch Abschied von seinem Leben. Denn zu dem Zeitpunkt war er bereits an Aids erkrankt.

Das Buch hat bei mir großen Eindruck hinterlassen. Es kommt aus einer für mich fremden Welt und auch fremden Zeit, in der ich noch mit Puppen gespielt habe und das Leben, das Napoleon Seyfarth geführt hat, unvorstellbar weit weg ist. Eine unbekannte Welt für mich.

Hätte ich das Buch nicht geschenkt bekommen, hätte ich es vermutlich nie im Leben gelesen und hätte niemals Einblick in diese für mich vollkommen fremde Welt erhalten. Das Buch hat definitiv meinen Horizont erweitert. Ich kann es Euch nur empfehlen.

Also…. lieber F., falls Du diese Rezension jemals lesen solltest: Ich danke Dir von Herzen für das Buch und hoffe, es geht Dir gut…