[Rezensionsexemplar]

Zum Inhalt:

Köln. Nachkriegszeit. Die 15jährige Helga und ihr Bruder leben schon einige Jahre als Findelkinder in Frankreich, als sie erfahren, dass ihr Vater noch lebt.

Zurück in Köln wünscht sich Helga nichts sehnlicher, als aufs Gymnasium gehen zu dürfen, doch ihr Vater verbietet es. Stattdessen schickt er das Mädchen auf die Haushaltsschule, damit sie irgendwann einen guten Ehemann findet.

Als Helga in einem Kinderheim Praktikum macht, stellt sie schnell fest, dass die dort lebenden Kinder sehr schlecht behandelt werden. Sie versucht für die Kinder dazu sein und ihnen zu helfen. Doch das ist 1955 leichter gesagt als getan…

Meine Meinung:

Die Geschichte beginnt 1954 in Frankreich. Der Krieg ist seit fast 10 Jahren vorbei, doch aus den Köpfen der Menschen ist er noch lange nicht verschwunden. Auch städtebaulich ist der Krieg noch allzu präsent.

Als Helga und ihr Bruder erfahren, dass ihr Vater noch lebt, verändert sich das Leben der Geschwister grundlegend. An die Zeit kurz nach dem Krieg bis zu ihrer Reise nach Frankreich haben sie keine Erinnerung mehr. Doch den Vater endlich wiederzusehen, macht ihnen die Reise nach Köln leichter.

Helga hat große Ziele und ist ein toughes junges Mädchen, dass das Herz am rechten Fleck hat. Doch schon sehr bald stellt sie fest, dass ihre Ziele und Träume in Köln kein Gehör finden. Ganz im Gegenteil. Ihr Gerechtigkeitssinn und ihre Freiheitsliebe werden alsbald auf eine harte Probe gestellt.

Sie ist entsetzt, als ihr klar wird, wie sehr die Kinder im Kinderheim leiden und gequält werden. Allen voran die kleine Bärbel, die als „Besatzerkind“ schon wegen ihrer Hautfarbe mehr als die anderen Kinder von den Nonnen drangsaliert wird. Als Hannah versucht, die Zustände zu ändern, wird ihr schnell klar, dass die meisten Menschen überhaupt kein Interesse daran haben, die Umstände der Kinder zu verbessern. Doch Hannah gibt niemals auf, egal welche Steine das Schicksal und die Menschen ihr in den Weg legen und mit einer gehörigen Portion Kampfgeist, gelingt es ihr, die Welt ein Stück weit besser zu machen

Autorin Lilly Bernstein gelingt es, mit einfühlsamen Worten die Nachkriegszeit der 50iger Jahre wieder lebendig zu machen. Die Art und Weise wie damals mit Heimkindern, ledigen Müttern und jungen Frauen umgegangen wurde, ist erschreckend und hat mich sehr nachdenklich gemacht.

Die Umstände, unter denen die Kinder im Heim aufwachsen müssen, sind erdrückend und einfach nur grausam. Keine Hoffnung auf Verbesserung der Lebensumstände. Den ledigen Mütter, die ihr Kind aus dem Heim zurückholen wollen, werden permanent Hindernisse in den Weg gelegt und sie sind per se in den Augen der verantwortlichen Stellen bzw. der Gesellschaft grundsätzlich einfach nicht geeignet, ihr Kind großzuziehen. Die einzelnen Umstände der Frauen spielen überhaupt keine Rolle dabei. Egal, was sie an Anstrengungen unternehmen, um ein ehrbares Leben aufzubauen, egal, ob sie genug Geld verdienen, um für ihr Kind sorgen zu können. Einmal unten durch, immer unten durch.

Der Schreibstil von Lilly Bernstein und die herzberührenden Protagonisten dieser Geschichte haben mich das stellenweise doch sehr bedrückende Buch nicht mehr aus der Hand legen lassen.

Ich fange jetzt gerade erst an, mich thematisch mit der Nachkriegszeit auseinanderzusetzen und muss sagen, dass ich das Buch einfach nur großartig finde.

Von mir gibt es eine Leseempfehlung für „Findelmädchen“. Großartiger Schreibstil, tolle Charaktere, spannende Geschichte – großartig recherchiert.

Ich bedanke mich herzlich beim Ullstein Verlag für das Rezensionsexemplar.